WACHSTUMSGESETZE - Hormone - Temperatur
Wachstumsgesetze
Die Natur funktioniert nach Gesetzmässigkeiten. Wenn wir diese kennen und berücksichtigen, können wir sie für die Entwicklung unserer Bonsai gezielt nutzen.
Hormone
Der unterirdische und der oberirdische Teil von Bäumen stehen in direktem Zusammenhang. Im Holzteil werden von den Wurzeln Hormone zu den Spitzenknospen in der Krone geleitet und geben den Auftakt zu deren Entfaltung. Diese Knospen bilden ebenfalls Hormone und leiten sie in der Bastschicht zurück in das Wurzelsystem. Diese gegenseitige Steuerung ermöglicht den Pflanzen durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Wurzelapparat und Krone eine sinnvolle, auch jahreszeitlich angepasste Entwicklung.
Der Baum versucht das Gleichgewicht zwischen Wurzeln und Zweigen nach Schnittmaßnahmen schnellstmöglich wieder herzustellen. Das passiert über die Phytohormone Auxin und Cytokinin. Zytokinine und Auxine arbeiten zusammen, um das Wachstum von Wurzeln und Trieben zu koordinieren. Wir Bonsailiebhaber können diese Wachstumsgesetze für unsere gestalterischen Zwecke nutzen, indem wir durch gezielte Schnittmassnahmen diese Hormonflüsse und damit insbesondere das Längenwachstum mehr oder weniger bremsen und damit die Grösse des Bonsai vorgeben und halten.
- Auxine sind eine pflanzeneigene Hormongruppe und dienen als Wachstumsregulatoren. Sie bewirken:
- Zellstreckung
- Wurzelwachstum
- ApikaldominanzWundheilung.
Die Bildung von Auxinen erfolgt vorwiegend in der Spitzenknospe mit Fließrichtung nach unten und regt dort das Wurzelwachstum an. Beispiele für die Wirkung sind die apikale Dominanz, Förderung des Streckungswachstums und der Teilungsaktivität von (Kambium-)Zellen (Wundheilung) sowie rasche Wurzelbildung (Bildung von Adventivwurzeln und Seitenwurzeln).
- Cytokinin ist ebenfalls eine Gruppe von pflanzlichen Hormonen, die beim Zellwachstum eine wichtige Rolle spielt. Sie bewirkt:
- Zellteilung und Wachstum von Wurzeln und Trieben
- Verringerung der apikalen Dominanz
- Förderung des Wachstums von Seitenknospen
Die Bildung von Zytokininen erfolgt in den Wurzeln, Fließrichtung nach oben, Steuerung des Trieblängen- und des Dickenwachstums.
Charakteristisch sind die Stimulierung der Zellteilung in Kallusgeweben (in Wurzeln und Trieben) und die Förderung des Streckungswachstums der Pflanze.
Durch Wachsenlassen oder Entfernen der Spitzenknospe(n) können das Längenwachstum der Zweige und die Verdickung von Stamm und Ästen gesteuert werden. Auch die Bildung neuer Rückknospen (Knospen, die nicht an der Zweigspitze sondern mehr zum Stamm hin sitzen) und die Erhaltung schlafender Augen kann so beeinflusst werden.
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Temperatur
Der feine Unterschied zwischen Erfrieren und Gefrieren
Eine Pflanze erfriert tatsächlich, wenn Kälte direkt das Absterben verursacht. Bei manchen Pflanzen passiert das bereits bei leichtem Frost, Andere vertragen arktische Kälte, vorausgesetzt, sie haben ausreichend Zeit, sich an die Entwicklung anzupassen.
Erfriert eine Pflanze, kristallisiert das Wasser in den Zellen des Pflanzengewebes und zerreißt sie, weil sich gefrierendes Wasser ausdehnt. Dadurch geht die Trennung von Chlorophyll und Zellsaft verloren und die grünen Pflanzenteile werden braun. Damit ist der Tod der Pflanze auch optisch erkennbar.
Anders beim Gefrieren: Das Wasser wird aus dem Protoplasma der Zellen abgezogen und gefriert in den Zellzwischenräumen, nicht in
den Zellen selbst, weil sie schützende Salze enthalten. Schmelzen die Eisklümpchen zwischen den Zellen langsam wieder, zieht das Wasser in die Zellen zurück. Schmelzen sie zu schnell, funktioniert dieser Rücktransport nicht und das Wasser verdunstet durch die Spaltöffnungen der Blätter. Ist der Boden gefroren, führt das zur Frosttrocknis, die Pflanze vertrocknet, weil der Wassernachschub unterbrochen ist.
Starke Temperaturschwankungen und Hitzewellen
In den letzten Jahren häufen sich Wetterextreme, der Klimawandel ist auch bei uns Bonsaifreunden angekommen. Zu hohe Temperaturen in der Schale führen vermehrt zu Wurzelschäden und damit auch zum teilweisen Verlust von Feinverzweigung. Gebirgsarten wie Lärchen (Larix decidua) aber auch Rotbuchen und Fächerahorne sind besonders gefährdet. Unsere Pflanzen bedürfen also während hochsommerlicher Hitzephasen unserer erhöhten Aufmerksamkeit. Ganz besonders gilt das auch für unsere „Kleinen“ wie Mame und Shohin.
Abhilfe schaffen können wir durch Schattierung oder durch Ummanteln der Schalen mit Alufolie oder Styroporstreifen, wie sie z.B. von Estrichverlegern verwendet werden.
Grossen Einfluss auf das Wachstum hat die Luftfeuchtigkeit, die hierzulande besonders während hochsommerlicher Hitzephasen dramatisch sinken klann. Dann kann z.B. an Zelkoven die Feinverzweigung verdorren. Das kann auch im Winterquartier passieren, also sollte man auch hier auf der Hut sein.
Quellen: Fachliteratur, "EisenbahnLandwirt", BCD-Schulungen und eigene Erfahrungen
Liebe Bonsaifreunde,
meine Veröffentlichungen beruhen auf eigenen Erfahrungen und Auswertungen der einschlägigen Fachliteratur. Wenn Diskussionsbedarf besteht oder andere Erfahrungen gemacht wurden, dann schreibt mir doch eine E-Mail: w.porath@outlook.de
Euer
Werner J. Porath
2. Vorsitz und Schulungsbeauftragter